Engagierte Schauspielerin

Ihre erste Rolle? Ein verschwitzter Fuchs in einem viel zu engen Kostüm. Das tierische Ausdünsten hat sich aber gelohnt: mittlerweile ist aus der mit mehreren wichtigen deutschen Nachwuchspreisen ausgezeichneten Schauspielerin Paula Kalenberg ein gesetztes Gesicht im Fernsehen und Kino geworden. Den Sinn für das echte Leben hat die 29-jährige dennoch nie verloren: die in Bielefeld aufgewachsene Wahl-Berlinerin ist gesellschaftspolitisch aktiv und unterstützt das Bielefelder Mädchenhaus.

1986 in Dinslaken geboren, als Teenager nach Bielefeld gezogen – wie konnte das passieren?
Paula Kalenberg Das habe ich mich damals auch gefragt. Ich war in der Pubertät und meine Mutter hatte sich entschlossen mit mir nach Bielefeld zu ziehen. Wir hatten zuvor im tiefsten Ruhrgebiet, in Essen, gelebt, sicher nicht der schönste Flecken Erde. Bielefeld klang in meinen Ohren jedoch extrem provinziell ­und dementsprechend ablehnend war anfänglich meine Haltung.

»Anfänglich« klingt, als ob Sie sich arrangiert hätten mit der Stadt …
Ja, auf jeden Fall. Dass ich meine bis heute engsten Freunde und eine herrliche Jugend dieser unliebsamen Entscheidung meiner Mutter zu verdanken habe, konnte ich erst viel später erkennen.

Was haben Sie für sich als typisch bielefelderisch abgespeichert?
Wir haben im Stadtzentrum gelebt, in der Nähe des Rathauses. Jeden Morgen habe ich die Linie 1 in Richtung Schildesche genommen und war ehrlich gesagt fasziniert davon, vielen aus #Bethel kommenden Menschen mit Behinderungen zu begegnen. Das war völlig neu für mich. Dieses lange gewachsene Selbstverständnis im Zusammenleben halte ich für einen großen gesellschaftlichen Schatz Bielefelds.

Inwiefern hat Sie dieser Schatz persönlich bereichert – hat er Ihre Ansichten zum Anderssein geändert?
Ich erinnere mich an eine Situation, in der mir eine Frau mit einem epileptischen Anfall in der Linie 1 direkt in die Arme gefallen ist. Eine erschreckende Situa­tion, in der es jedoch einige Menschen drumherum gab, die wussten, was zu tun ist. Das hat mich beeindruckt und angeregt, meine eigene Befangenheit, die Vorurteile und Ängste, die ich hatte, zu hinterfragen.

Hinterfragen, sich engagieren, tolerant und offen sein – auch ein Ergebnis Ihrer schulischen Erfahrungen?

Eine große Zäsur in meinem Leben war definitiv der Schulwechsel auf die Waldorfschule in Schildesche. Das war für mich ein bisschen wie nach Hause zu kommen. Ich wurde unglaublich herzlich aufgenommen und einige der damals geschlossenen Freundschaften haben in meinem Leben noch heute Bestand.

Freunde, mit denen Sie auch mal gegen Missstände in der Welt rebellierten – den Jahnplatz sollen Sie mal gegen Ihr Bett zu Hause eingetauscht haben …
Eine sehr intensive Zeit, in der wir nahezu täglich gegen den Irakkrieg demonstriert haben, der von der amerikanischen Regierung unter George W. Bush angezettelt wurde. Ich hatte wirklich aus tiefstem Herzen das Gefühl, Teil eines großen Umdenkens, einer neuen politisch relevanten Friedensbewegung zu sein. Einmal haben wir aus Protest bei der Mahnwache auf dem Jahnplatz übernachtet. Im Nachhinein vielleicht etwas albern und naiv zu glauben, damit etwas zu bewegen, aber die Einigkeit darüber, etwas tun zu müssen, und die Hilflosigkeit, nicht zu wissen, was, waren groß.

Klingt, als ob Sie sich schon immer viele Gedanken gemacht hätten. Blieb da noch Platz für – sagen wir mal: trivialen Spaß?
Lustigerweise war die Schule plötzlich auch kein Ort mehr, von dem man nach Schulschluss möglichst schnell geflüchtet ist, im Gegenteil. Wir haben oft ganz freiwillig unsere Nachmittage dort verbracht oder auch Partys am nahe­gelegenen #Obersee gefeiert.

Party feiern, abtanzen – wo hat denn Paula Kalenberg am liebsten die Sau rausgelassen?
Als wir die Ausweiskontrollen nicht mehr gefürchtet haben, waren wir bei diesen schlimmen, hemmungslosen Freibierpartys im Kick in Herford. Am liebsten hatte ich das JZ Kamp und natürlich das #Forum. Ich bin immer viel auf Konzerte gepilgert und war ganz euphorisiert davon, wie viele meiner Lieblingsbands im #Ringlokschuppen und im Forum auf ihrer Tour Halt gemacht haben. Mit der Ultimo in der Hand erschien mir Bielefeld plötzlich alles andere als provinziell. Die legendären Elektropartys im Forum und dann tanznass geschwitzt mit Freunden auf dem Fahrrad durch die Nacht radeln … Das hatte definitiv einen hohen Liebefeldfaktor!

Gut, wir halten fest: Die Waldorfschule fördert das reflektierte Denken, mit Waldorfschülern lässt sich ordentlich abfeiern – und nicht zuletzt scheint die Schule auch ein gutes Sprungbrett für Schauspieltalente zu sein …
An der Schule war ich mal der Fuchs bei dem Theaterstück »Der kleine Prinz«. Ich hatte ein extra auf den Leib geschneidertes Kostüm aus Wollfleece, das sehr eng war, nur mein Gesicht ausgespart hat und ziemlich unvorteil­haft aussah. Im Scheinwerferlicht habe ich extrem geschwitzt und hatte bei dem Hitze­stau Schwierigkeiten, mir meine Zeilen zu merken. Trotzdem war’s ein großer Spaß. Die Waldorfschule war aber auf alle Fälle der perfekte Ort, wenn es darum ging, sich musisch auszuprobieren. Ich hatte das große Glück, dass mir von den Lehrern keine Steine in den Weg gelegt wurden, als ich mit dem Drehen angefangen habe. Für diese Unterstützung und die Toleranz meiner Mitschüler bin ich heute noch sehr dankbar.

Lehrer top, Mitschüler top – welche Lieblingsbielefelder haben Sie sonst noch?
Ich habe letztes Jahr im Spätsommer einen Film für die ARD gedreht (»Eine Sommerliebe zu Dritt«, Anm. d. Red.), in dem ganz zufällig die wundervolle Bielefelder Regisseurin Nana Neul Regie geführt hat und mein Ehemann von niemand Geringerem als Florian Panzner gespielt wurde, der ja ebenfalls aus Bielefeld stammt. Ja, ich kann schon sagen, dass die zwei jetzt ganz oben in meinem Ranking der Lieblingsbielefelder ­stehen. Der Film ist – ­glaube ich – ganz schön geworden und wird Ende dieses Jahres in der ARD ausgestrahlt.

#Bethel – v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel
Mittendrin statt außen vor: Seit fast 150 Jahren setzen sich die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel für alle ein, die auf Hilfe, Unterstützung oder Assistenz angewiesen sind.

Königsweg 1, 33617 Bielefeld
Telefon 0521.144-00
www.bethel.de

#Obersee
Plitsch, platsch ins Vergnügen. Ein Naherholungsgebiet, wie es im Buche steht: zum Joggen, Radfahren und Entspannen. An den höchsten Punkten des Geländes gibt es einen geilen Ausblick über Schildesche in Richtung Teutoburger Wald als Zugabe obendrauf!

Schildesche, Am Obersee, 33611 Bielefeld
Obersee Infos

#Forum Bielefeld
Eine Legende seit 1974 Liveclub, Hammerkonzerte, Partys von Elektro über Metal, Soul, Indie und Balkan …

Meller Straße 2, 33613 Bielefeld
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#RinglokschuppenBielefeld
Brands und Musiktrends

Der hippe Nachtclub in einer alten Lokhalle gibt Mottopartys von Charts bis Gothic sowie großen Livekonzerten einen Sound.

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4. Januar 2016
Alberto Alonso Malo

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