„Bielefeld soll ein Start-up-Mekka werden!“

Die Zukunft sitzt im Herzen Bielefelds, auf vier Etagen, hinter modernem Sichtbeton und bodentiefen Fensterflächen. Die von der #BertelsmannStiftung initiierte Founders Foundation bildet die nächste Unternehmergeneration aus, die den neuen, digitalen Mittelstand baut. Das ehrgeizige Ziel der Kaderschmiede mit B2B- und Techfokus: bis 2025 soll Bielefeld zu einem der heißesten Start-up-Standorte des Landes heranreifen. Wie und warum das funktioniert, verraten uns Dominik Gross, Co-Founder, und Jannis Johannmeier, Manager Public Relations, bei der Founders Foundation.

"Hier lernen Gründer von erfolgreichen Gründern."

Angenommen, meine grauen Zellen brüten eine revolutionäre Start-up-Idee aus: Warum sollte ich mein Unternehmen ausgerechnet in Bielefeld gründen – und Boomstädte wie Berlin oder Tel Aviv links liegen lassen?
Dominik: Weil Bielefeld als Hauptstadt des Mittelstands wahnsinnig gute Startbedingungen und Wachstumschancen für junge Gründer bietet. Die Top-16-Unternehmen in OWL erwirtschaften zusammen jährlich 70 Milliarden Euro. Die praxisorientierte Ausbildung der Founders Foundation – hier lernen Gründer von erfolgreichen Gründern – ermöglicht es zudem oft schneller als beispielsweise in Berlin, relevante Szenegrößen kennenzulernen und von ihren Erfahrungen zu profitieren.
Jannis: Die traditionellen Unternehmen der Region zeigen sich offen wie nie zuvor für Investitionen in neue Geschäftsmodelle, um den Sprung ins digitale Zeitalter zu packen. Gleichzeitig profitieren die Start-ups von den sehr guten Netzwerken und Strukturen der Firmen. Das ist eine absolute Win-win-Situation.

Die Region verfügt also über eine enorme Wirtschaftspower. Aber wie steht es um das Gründerpotenzial in der Region?
D: Auch das ist enorm. Auf uns kommen Menschen aus allen Bereichen zu, mit immer neuen Ideen. Das ist auch kein Wunder. In Bielefeld zum Beispiel kommen auf gut 330.000 Einwohner etwa 35.000 Studenten. Es gibt einen sehr großen Talentepool.

Der typische Bielefelder Gründer kommt also frisch von der Uni?
D: Ja, zum Beispiel. Manchmal steckt er aber auch noch mitten in der wissenschaftlichen Forschung oder arbeitet als Young Professional in einem großen Unternehmen. Gleichzeitig hat einer unserer erfolgreichsten Gründer mit 45 Jahren unsere Kaderschmiede durchlaufen und mit Valuedesk eine Plattformlösung geschaffen, bei der Dr. Oetker, Schüco, Miele oder Dr. Wolff Kunden sind.
J: In der Regel handelt es sich um Digital Natives, die eine innovative Geschäftsidee mitbringen, aber nicht wissen, wie sie diese umsetzen können. An diesem Punkt kommen wir ins Spiel! Grundsätzlich spielt das Alter für uns keine Rolle – es geht viel stärker um das Mindset und die Leidenschaft. Digitalisierung beginnt im Kopf!

Im Vergleich zu Ländern wie China und den USA gibt es in Deutschland immer noch verhältnismäßig wenig Start-up-Gründer. Warum ist es so wichtig, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln?
D: Weil die Märkte im Zuge der Digitalisierung immer beweglicher und die Innovationszyklen kürzer werden. Etablierte Unternehmen werden sich nicht schlagartig an diese Geschwindigkeit anpassen können. Wenn Deutschland wirtschaftlich erfolgreich bleiben möchte, brauchen wir eine neue technologieorientierte Unternehmergeneration, die Lust hat, einen neuen nachhaltigen digitalen Mittelstand aufzubauen. Der Beweis: Die von uns ausgebildeten Gründer haben 2018 mit ihren Start-ups zusammen 10 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet und es sind durch diese Jungunternehmer etwa 200 Arbeitsplätze in Bielefeld entstanden.

Wie helft ihr diesen jungen Gründern? Was genau macht die Founders Foundation?
D: Wir bilden die Unternehmer der Zukunft aus und fördern Neugründungen in und um Bielefeld. Dafür erschaffen wir ein Start-up-Ökosystem, das den Grundstein für Innovationen und Investitionen bildet. Um das zu erreichen, setzen wir auf einen stark systemischen Ansatz.

Was bedeutet das?
J: Dass wir den Gründern helfen, selber Lösungen zu finden. Dafür durchlaufen sie bei uns mehrere Stufen. Das geht los mit der Founders Academy, in der Interessierte in acht Wochen lernen, was es heißt, zu gründen und die eigene Idee zu entwickeln oder zu überprüfen.
D: Sobald diese erste Ausbildungsstufe und das „Gründerabitur“ erreicht wurden, steigen die Gründer von der ersten in die zweite Etage unseres Founders Home auf – in den Founders Accelerator. Dort lernen sie innerhalb von sechs Monaten aus ihrem Unternehmensansatz ein erfolgreiches Start-up zu machen.
J: Wir verstehen uns dabei als Start-up-Kaderschmiede. Wir wollen die Besten fördern und entscheiden während des Programms immer wieder, wer weitermachen darf und wer nicht. Nur so können wir die „Überlebensrate“ von 66 Prozent unserer Start-ups gewährleisten. Ein herausragender Wert im deutschlandweiten Vergleich!

Das klingt nach einer harten Ausbildung – und so gar nicht nach den Klischeetypen, die nachts um vier Uhr aus einer Schnapslaune heraus ein Start-up gründen ...
D: In Berlin mag es so etwas geben, in Bielefeld aber nicht. Wir schauen in erster Linie auf die Substanz. Da sind wir dann doch ganz ostwestfälisch (lacht).
J: Gründen kann man lernen. Das ist einer unserer wichtigsten Glaubenssätze. Wer nicht 100 Prozent Leidenschaft für seine Idee, das Unternehmertum an sich und die Bereitschaft, die digitale Zukunft Deutschlands positiv gestalten zu wollen, mitbringt, ist bei uns falsch.

Es reicht also nicht, „nur“ eine gute Idee zu haben, um bei euch durchzustarten?
D: Bewerben können sich nur Start-ups mit einer digitalen und skalierbaren Geschäftsidee. Das bedeutet, die Idee muss nicht nur gut sein, sie muss auch ein Problem lösen, markttauglich und innovativ sein. Grundsätzlich gilt bei uns: Es braucht keine Idee, sondern ein Markt- und Branchenproblem, das gelöst werden kann und worauf sich ein Start-up aufbauen lässt.

Sprecht ihr Start-Up?
In den Büros der Gründerszene hat sich ein ganz eigenes Vokabular etabliert. Zeit, diesen wilden Mix zu übersetzen – und mit ein paar „Buzzwords“ um sich zu schmeißen ...

Elevator Pitch
Nein, damit ist nicht der Fahrstuhl gemeint. Im Start-up-Sprech geht es um eine kurze, knackige Präsentation, mit der potenzielle Investoren von einer Geschäftsidee überzeugt werden sollen.

Game Changer
Er ist der kleine, aber feine Unterschied. Das Zünglein an der Waage. Das Tor in der Nachspielzeit. Ein Game Changer ist eine Person, eine Firma, ein Produkt oder eine Technologie, die starken Einfluss auf eine Branche hat – und diese damit nachhaltig verändert.

Venture Capital (VC)
„Nicht, weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.“ Das wusste schon der ruhmreiche römische Philosoph Seneca. Übersetzt bedeutet VC so viel wie „Wagniskapital“, das Geldgeber in Start-ups investieren – trotz des Wissens, damit ein finanzielles Risiko einzugehen.


"2016 glich Bielefeld einer Start-up-Wüste."

Okay, meine Idee löst ein Problem und ich habe eure Kaderschmiede mit Bravour gemeistert. Wie geht es jetzt weiter? Wie bringt ihr mich mit den Unternehmen zusammen?
J: Wir pflegen einen engen Kontakt zu den großen Industriefirmen in der Region und verfügen über ein sehr breites Netzwerk. Um das weiter zu stärken, veranstalten wir regelmäßige Events, auf denen Gründer und Vertreter aus der Industrie gemeinsam über Ideen brüten.
D: Jeder Gründer lernt bei uns, sein Start-up auf Basis von Kundenfeedback aufzubauen. Bei uns bekommt jeder an Tag eins die Aufgabe, mit Unternehmen in Kontakt zu treten. Vom „Café-Talk“ zum Einstieg bis zum zahlenden Kunden Wochen oder gar Monate später.
J: Unser absolutes Leuchtturmprojekt ist die jährliche Start-up-Konferenz #HinterlandOfThings. Es ist der „Proof of Concept“, dass die traditionelle Wirtschaft und die „neue“ Start-up-Welt voneinander lernen und etwas „Großes“ bewegen können. Die besten digitalen Köpfe kommen dort zusammen, um die digitale Zukunft mutig zu gestalten.

Die Founders Foundation gibt es jetzt seit drei Jahren. Wie fällt euer Zwischenfazit aus?
D: Durchweg positiv. 2016 glich Bielefeld einer Start-up-Wüste. Heute tummeln sich allein in direktem Umkreis der Founders Foundation mehr als 30 Start-ups, die sich erfolgreich im Markt bewegen. Insgesamt gibt es in Ostwestfalen-Lippe etwa 80 Start-ups.
J: Ein schönes Erfolgsbeispiel ist unser Founders Acclerator-Alumni Semalytix. Dieses AI-Start-up hat mittlerweile 60 Mitarbeiter aus über 20 Nationen und hat bei uns alle Ausbildungsprogramme durchlaufen. Der Umsatz liegt deutlich im Millionenbereich und das Team arbeitet schon profitabel. Außerdem hat es die Firma in die Top Ten der innovativsten Start-ups im Land geschafft.

Das heißt, Bielefeld hat sich mittlerweile einen Namen als Start-up-Standort gemacht?
J: Absolut. Die Szene hat Bielefeld auf dem Schirm. Dank der Erfolge unserer Start-ups, aber auch dank unseres systemischen Ausbildungsansatzes, den es in dieser Form bisher nicht gab – und mit dem wir uns gezielt abheben. Selbst das amerikanische Forbes-Magazin hat uns in einem Artikel thematisiert.
D: Dieser steigende Bekanntheitsgrad spiegelt sich auch in den Bewerbungen wider. Es zieht immer mehr Gründer nach Bielefeld – aus dem Rheinland, aus Schleswig-Holstein, sogar aus Berlin und dem Ausland.

Wie sehen eure Ziele für die Zukunft aus? Wo seht ihr Bielefeld in zehn Jahren?
J: Wir wollen das Start-up-Ökosystem nicht nur immer weiter ausbauen und mehr Menschen motivieren, Unternehmen zu gründen. Wir möchten viele Mitstreiter gewinnen, sodass die Founders Foundation als Anstifter gar nicht mehr benötigt wird, sondern sich das Start­up-Ökosystem von selbst trägt.
D: Unser ambitioniertes Ziel ist es, bis 2025 mehr als 150 erfolgreiche Start-ups in der Region zu etablieren. Wir sehen Bielefeld als künftiges Mekka der Szene, das Technologietrends setzen und internationale Talente anlocken wird.
J: Bis dahin liefern wir uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Arminia Bielefeld, wer es zuerst in die erste Liga schafft (lacht)!

#BertelsmannStiftung
Herausforderungen aufgreifen und nachhaltig in die Gesellschaft hineinwirken – so lautet das Ziel der Bertelsmann Stiftung, die 1977 gegründet wurde. Um für die Wirtschaftsregion Ostwestfalen-Lippe die Unternehmer von morgen auszubilden, hat die Stiftung 2016 die Founders Foundation ins Leben gerufen – und mit einem Investment von 17 Millionen Euro für die ersten fünf Jahre ausgestattet.

#HinterlandOfThings
Die von der Founders Foundation organisierte Veranstaltung bringt die klügsten Köpfe zu den Themen digitale Transformation und Künstliche Intelligenz zusammen. Dabei treffen Wirtschaftsgrößen auf Start-up- und Digitalpioniere, um über die digitale Zukunft des Landes zu diskutieren. Allein der dies­jährige Event lockte über 1.300 Besucher nach Bielefeld.

13. September 2019
Dennis Salge

RubrikLeute, Leute
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