Auf ein Wort

Erst 18 und in Bielefeld schon bekannt wie ein bunter Hund: Kolja Fach machte mit seiner Sprachgewalt früh als Poetry-Slammer auf sich aufmerksam. Mit 13 gewann er seinen ersten Wettbewerb, im Juli 2016 siegte Kolja bei den U20-OWL. Ein eigenes Comedy-Programm hat der frisch- gebackene Abiturient, der derzeit bei Antenne Bethel arbeitet und später etwas mit Medien machen möchte, auch schon auf die Beine gestellt.

Kolja, du hast dein Abi in der Tasche. So als Wortakrobat: Hast du deine Lehrer eigentlich zwischendurch mal was sagen lassen?
Meine „Auftritte“ in der Schule kann ich natürlich nicht mit den Auftritten auf der Bühne vergleichen. Es ist aber schon so, dass es Aufgaben in der Schule gab, die mir schwerer- gefallen sind als mündliche Vorträge – beim Gedichteschreiben plätscherte es nur so aus mir heraus, auch Referate waren kein großes Problem. Eher im Gegenteil, ich musste mich zügeln, nicht zu viel zu reden (lacht). Dafür habe ich es nicht so mit Zahlen, die sind wie eine Fremdsprache für mich. Da fehlten selbst mir die Worte ...

Wann hast du denn bemerkt, dass du ein besonders gewitztes Talent für Sprache hast?
Oh, schon früh. Meine Eltern erzählen, dass ich bereits mit anderthalb Jahren frühsprachlich unterwegs gewesen bin. Ich soll alle in Grund und Boden geredet haben. Dass ich früh in der Lage war, mich zu artikulieren, hat sicher auch damit zu tun, dass ich mit Büchern und viel Musik groß geworden bin, Geschichten von Astrid Lindgren und Sven Nordqvist haben mir meine Eltern vorgelesen. Dafür ist mir als Kind die digitale Welt fremd gewesen.

Der Weg vom Reden über das Schreiben zum Poetry Slam ist die logische Folge gewesen?
Geschrieben habe ich eigentlich immer viel, mir Geschichten auszudenken war schon als Kind mein Ding. Die Idee, aus meinen Texten einen Slam zu machen, kam mir, als ich angefangen habe die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling zu hören. Ich mochte seinen Stil, sehr witzig. Ohnehin zogen mich Kabarett und Comedy schon immer an – Martin Schneider ist der Erste gewesen, den ich live gesehen habe. Schon etwas her. Heute finde ich eher Kabarettisten wie Jochen Malmsheimer oder Thorsten Sträter großartig, die auf eine ganz brillante Art und Weise mit Sprache umgehen.

Einen Poetry-Slam zu verfassen – kann das nur jemand, der sprachlich besonders talentiert ist, oder ist auch viel Handwerk dabei?
Es ist immer ein Stück Handwerk dabei. Wer sich für diese rhetorische Kunstform interessiert, kann sie zum Beispiel in Workshops vermittelt bekommen. Aber man hat natürlich auch seinen eigenen Stil und Humor, so etwas kann man nicht lernen.

Wie würdest du denn deine Handschrift beschreiben?
Meine Texte baue ich oft als eine Art Tagebucheintrag auf, ich staffele sie nach Uhrzeiten, mache Zeitsprünge. Auf diese Art und Weise überrasche ich das Publikum.

Merkst du eine Entwicklung in deinen Texten?
Auf jeden Fall. Meinen ersten Live-Auftritt hatte ich mit 13 Jahren im #BunkerUlmenwall. Damals trug ich etwas über das Småland bei Ikea vor – darüber, wie Eltern dort ihre Kinder abgeben und die Sprösslinge einen Ausbruchsversuch unternehmen. Etwas absurd, die Zuhörer fanden es gut. Heute trete ich aber nicht mehr mit den Texten von damals auf, da bin ich etwas rausgewachsen. Mit 18 verändert sich der Humor, ich habe ein bisschen mehr erlebt, sehe die Dinge anders, denke politischer.

Wie war denn das eigentlich so, mit 13 Jahren plötzlich vor Publikum auf der Bühne zu stehen?
Unglaublich spannend, ich wusste nicht, was mich erwartet, war vorher nie dort gewesen. Beim #Bunkerslam stimmt das Publikum per Applaus ab, wer weiterkommt. Diese Lautstärke, wenn alle schreien und stampfen, als ob man auf einer Welle steht. Das war schon ein irres, berauschendes Gefühl. Ich habe mich auf jeden Fall gefreut, dass die Leute Spaß an meinem Text hatten.

Und heute, so als alter Hase, gehst du völlig cool in den nächsten Auftritt?
Nein, Lampenfieber ist immer da. Es hat sich aber gelegt, weil ich einfach auch mehr Selbstvertrauen bekommen habe nach den vielen positiven Reaktionen. Diese Erfahrung, dass es funktioniert, mal mehr, mal weniger gut, macht einen sicherer. Spätestens, wenn der Moderator meinen Namen aufruft, möchte ich einfach das Beste herausholen.

Mittlerweile hast du auch dein eigenes Comedy-Programm – „Alles muss raus!“. Comedian und Poetry-Slammer, sind das auf der Bühne zwei unterschiedliche Paar Schuhe?
Ja, wenn ich als Comedian auftrete, ist es etwas anders. Mich buchen Leute, damit ich sie unterhalte. Letztes Jahr habe ich auf dem Wirtschaftsforum in der #Stadthalle das Pausenprogramm gefüllt, da war ich sehr aufgeregt. 400 Menschen, eine andere Klientel, als die, die ich gewohnt bin – beim Slam weiß ich, da passe ich rein, und die Besucher wissen, was sie in etwa erwartet. Auf dem Wirtschaftsforum wusste ich aber nicht, ob die Besucher aufgeschlossen für meine Unterhaltung sein würden. Aber: Auch das hat sehr gut funktioniert.

Wo kommen die Einfälle zu deinen Texten her, macht es dir Bielefeld da einfach?
Die Dinge, über die ich schreibe, haben meistens einen Auslöser. Da ich in Bielefeld wohne, fallen mir halt hier die alltäglichen Dinge auf. Ich schaue genau hin, bin aufmerksam und habe meine Sinne auf meine Umwelt ausgerichtet. Daraus können dann Texte über Sportwahn und Fitnessstudios herauskommen oder auch mal über eine Busfahrt von Bielefeld nach Hamburg, die in einem Desaster endete.

Speziell auf Bielefeld gemünzt: Diese Stadt scheint übersät von Chihuahuas zu sein!

Ach ja? Ich würde meinen, die übersieht man recht schnell?
Nicht, wenn es einem erst einmal aufgefallen ist. Überall, Wahnsinn! Davon handelt auch mein aktuellster Text: „Trixie“, mein persönliches Lieblingsstück, mit dem ich bislang am zufriedensten bin.

Und was machst du sonst so, wenn du nicht gerade kleine Taschenhunde zählst?
Ich fahre gerne Skateboard, nutze mein Longboard als primäres Verkehrsmittel oder gehe auch mal ins Fitnessstudio, damit ich körperlich nicht komplett verfalle. Ansonsten sitze ich gerne im #Moccaklatsch oder hier im #OzoneCoffeeStore, wo wir ja auch gerade das Interview führen.

Sorry, ich gehe hier nicht weg, ohne wenigstens einmal auf deine Haare zu sprechen zu kommen.. Ich selbst trage ja eher den Schnitt „Platte“ – was ist bei dir da oben los? Und: Rastet dein Friseur aus, wenn er da herandarf?
Meine Haare sind ein Erbstück von meiner Mutter. Nein, warte, das klingt so nach Skalp (lacht). Also, die Struktur meiner Haare habe ich von meiner Mutter. Die Farbe von meinem Vater. Als ich jünger war, sahen sie auch eher korkenziehermäßig aus. Ich bin heute aber sehr dankbar dafür, weil ich mich auch mit glatten Haaren kenne. Geht gar nicht. Wenn sie geschnitten werden, gehe ich zu Creazione Di Leo, die Friseure dort können am besten damit umgehen und freuen sich, wenn ich da bin.

So ein bisschen Markenpflege ist das aber auch, oder?
Na klar, meine Haare haben Wiedererkennungswert, das hilft auf jeden Fall. Oft werde ich entsprechend an- und abmoderiert, so nach dem Motto: „der mit Haaren“. Was mich dann aber doch manchmal erschreckt, ist, wenn Leute einfach meine Haare anfassen, „weil sie so flauschig aussehen“. Der Rekord liegt bei 22 Mal in einer Nacht ...

Gut, statt dir jetzt durch die Haare zu gehen, würde ich zum Abschluss von dir lieber eine Slam-Ode über dein Bielefeld hören.
Kann ich machen, die muss ich aber erst aufschreiben:

Bielefeld ist mein Zuhause, schon mein ganzes Leben lang. Eine lebendige Innenstadt, genauso wie viele grüne Lungen, dazu eine unglaublich reichhaltige Kulturlandschaft, voll mit Klassik und Tradition, aber auch mit jungen Wilden, und eine sehr junge urbane alternative Szene machen die Stadt in meinen Augen unfassbar attraktiv. Und auch wenn es mich im nächsten Jahr wohl erstmal von hier wegzieht ... Zuhause wird es immer bleiben und ich habe genug Gründe, immer wieder zurückzukommen. Und wer weiß, irgendwann vielleicht sogar zu bleiben ...?!

#BunkerUlmenwall
Literatur- und Musikzentrum
Seit 1956 ist der Bunker die soziokulturelle Bildungs- und Musikveranstaltungsstätte Bielefelds. Hier findet auch jeden dritten Mittwoch im Monat der #Bunkerslam statt, der älteste Poetry-Slam in Ostwestfalen.

Kreuzstraße 0, 33602 Bielefeld
Telefon 0521.1368170
www.bunker-ulmenwall.org
www.bunkerslam.de

#OzoneCoffeeStore
Im Jahr 2013 wurde angrenzend an den Ozone Hinterhof der Ozone Coffee-Store eröffnet. Altes Bauhaus, Ebay-Second Hand Möbel, ein urgemütliches Ambiente auf vier Ebenen empfängt den Gast, der sich mit Free-Wifi oder einem Buch aus der Ozone-Tauschbibliothek, in einem der vielen Winkel im Coffee-Store oder auf dem Innenhof zurückziehen möchte.

Bahnhofstraße 22, 33602 Bielefeld
Telefon 0521.32936653
www.brooks.de/ozone-coffee-store

#Moccaklatsch
Café und Restaurant
Kuchen, mediterrane und vegetarische
Gerichte sowie Cocktails, dazu gemüt-
liche Sofas zum Abchillen. Was braucht
man mehr?

Arndtstraße 11, 33602 Bielefeld
Telefon 0521.7709431
www.moccaklatsch.de

#StadthalleBielefeld
Ausstellungs- und Veranstaltungshalle

Willy-Brandt-Platz 1, 33602 Bielefeld
www.stadthalle-bielefeld.de

19. Februar 2016
Alberto Alonso Malo

RubrikLeute, Leute